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Theorie: Entscheidungen und Liquiditätsmanagement

Theorie: Entscheidungen und Liquiditätsmanagement

Für Eilige: Entscheidungen sind in der Praxis immer komplex, aber warum?

 

  • Entscheidungen entstehen bei Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten
  • Zu treffende Entscheidungen sind abhängig von den Entscheidern, dem Unternehmensziel und der verfügbaren Information.
  • Die Qualität des Entscheidungsprozesses insgesamt ist abhängig von der Qualität der einzelnen Teilschritte.
  • Die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen ist innerhalb von Unternehmen besonders wichtig.
  • Entscheidungen über die Verwendung von Liquidität müssen auf einem geeigneten Informationsstand erfolgen. Im Worst-Case drohen rechtliche Konsequenzen.

 

Was ist überhaupt eine Entscheidung?

 

Das muss anders werden! So beginnt oft ein Nachdenk-Prozeß, der dann in einer Entscheidung mündet. Als ein wesentliches Merkmal des Entscheidungsbegriffs wird in der Theorie die Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Handlungsmöglichkeiten verstanden, der eine Unzufriedenheit mit bzw. ein Unbefriedigt-sein gegenüber der augenblicklichen Situation oder der zu erwartenden Entwicklung vorangeht. Die klassische Situation also, gehen wir nach links oder nach rechts?

Dies natürlich unter der Voraussetzung, daß der Wille zur Beseitigung der Unzufriedenheit gegeben ist. Wir haben uns also darauf geeinigt, dass wir vorwärts gehen und nicht stehen bleiben. Zusätzlich zur Wahlmöglichkeit kommen noch die Aspekte der Zukunftsbezogenheit und der Personenbezogenheit, so daß die Entscheidung letztendlich in der Theorie definiert wird als

“… eine auf die Zukunft gerichtete Wahl zwischen alternativen Handlungen oder Zielen, womit ein einzelner oder eine Personengruppe den Versuch unternimmt, eine Konfliktsituation zu lösen. Voraussetzung ist der Wille, die ausgewählte Lösung in die Tat umzusetzen.”

Nachfolgend schauen wir uns nun den Entscheidungsprozess, d.h. die Willensbildung und Willensdurchsetzung genauer an.

 

Das System Unternehmen

 

Im Zusammenhang mit Entscheidungen besteht ein Unternehmen aus drei Teilsystemen – dem

  1. Zielsystem,
  2. Informationssystem und
  3. Sozialsystem.

Diese drei Systeme beeinflussen nicht nur die einzelnen Phasen der Entscheidung, sondern sie beeinflussen sich auch gegenseitig. Dies indem es im Zielsystem zu Zielsetzungen kommt, diese jedoch von den unterschiedlichen Zielen der Entscheidungsträger beeinflusst werden.

Es war in Düsseldorf bei einem Vortrag einer großen Bank, als ein Motivationstrainer einmal einen für mich sehr prägenden Satz sagte:

Unternehmen erreichen ihr Ziele TROTZ der Zielvorgaben, die wir unseren Mitarbeitern machen. Mitarbeiter sind nämlich illoyal gegenüber Zielen, aber loyal gegenüber dem Unternehmen.

Dieser Ausspruch zeigt sehr schön die möglichen Spannungen zwischen einem Zielsystem und dem Sozialsystem, also den individuellen Zielen und auch Visionen von Mitarbeitern. Etwas schwingt aber in diesem Beispiel auch noch mit. Nämlich der unterschiedliche bzw. unvollkommene Informationsstand.

Es kommt also zum Einen zu einer Spannung zwischen Sozialsystem und Informationssystems, also den individuellen Wünschen und Vorstellungen von Mitarbeitern aufgrund ihres Informationsstandes. Die wiederum die Qualität des Zielbildungsprozesses beeinflussen, also dem Setzen von Zielen (im Zielsystem) unter unvollkommenen bzw. subjektiven Informationen.

Wie wirkt sich das aus bzw. wie kann sich das auswirken? Dazu hat Staehle, einer der wissenschaftlichen Urväter im Bereich Management, folgende Erkenntnis aus seinen Untersuchungen festgehalten:

Von oben angeordnete strategische Maßnahmen werden nur zu 25% realisiert. Das Versanden von 75 % der strategischen Ideen ist durch empirische Studien belegt. Strategien aus allen Ebenen der Hierarchie haben eine Realisierungschance von 75%.

Weitere Einflussfaktoren auf die Qualität der Entscheidung sind

  • die Motivation und
  • die intellektuellen Fähigkeiten der Entscheidungsträger,
  • die Kreativität des Entscheidenden,
  • die sozialen Fähigkeiten,
  • die manuellen Fähigkeiten und
  • die Grundeinstellung zur Zukunft.

 

Prinzip der rationalen Wahl

 

Die drei Teilsysteme des Unternehmens beeinflussen weiters jede einzelne Phase des Entscheidungsprozesses. Der Prozess wird in der Theorie auch “Prinzip der rationalen Wahl” genannt und folgendermaßen dargestellt:

  • Stadium der Unzufriedenheit – in einer Ursachenanalyse wird die vorliegende Problemstellung geklärt. Der Entscheider hat die Absicht, das Problem zu lösen.
  • Suchphase – hier hat eine Auswahl und Abwägung der Lösungsmöglichkeiten zu erfolgen. Ziel ist es, „die möglichen Alternativen sowie die begrenzenden Daten ausfindig zu machen und die zugrunde liegende Zielsetzung zu präzisieren“. Die Suchphase wird somit von der Entscheidungsmethodik, von den Alternativen Ergebnissen sowie von der zugrunde liegenden Zielsetzung bestimmt.
  • Optimierungsphase – diese ist durch den eigentlichen Entscheidungsakt, dem eine Reihung der bewerteten Handlungsalternativen vorangeht, gekennzeichnet.
  • Durchsetzungsphase – diese ist gekennzeichnet durch eine Protokollierung sowie durch eine Kommunikation des Entschlusses. Die anschließende Verwirklichung und Kontrolle der Ausführung wird vielfach bereits als weiteres Entscheidungsproblem identifiziert, da der Vollzug in den meisten Fällen durch Delegation an untergebene Dienststellen erfolgt.

Die ersten drei Phasen werden auch als Willensbildungsprozess bezeichnet. Die Qualität dieses Prozesses ist stark abhängig von der Qualität der einzelnen Vorstufen.

Die Phasen des Entscheidungsprozesses sind als “Formalphasen” zu verstehen. Dies bedeutet, daß jede Entscheidung, egal welche Einschränkungen auch immer den Prozeß beeinflussen, in diese Phasen zerlegt werden kann. Wie bitte? Jede von uns getroffene Entscheidung kann auf diese theoretischen Phasen zerlegt werden? Das müssen wir uns genauer anschauen.

Lediglich die Qualität der Ausgestaltung der einzelnen Phasen unterscheidet das obige System der rationalen Wahl von praktizierten Entscheidungen. So nennt Staehle in diesem Zusammenhang folgende Einschränkungen des Prinzips der rationalen Wahl:

  • Begrenzte Rationalität – aufgrund zahlreicher Einflüsse begnügt sich der Entscheider mit einer befriedigenden Lösung. “Unsere Entscheidung war schon in Ordnung so.”
  • Kontextuelle Rationalität – der Entscheidungsspielraum wird durch das Umfeld und durch Zielkonflikte begrenzt. “Besser hätten wir das in dieser Situation nicht machen können.”
  • Prozedurale Rationalität – mittels Verfahren und Techniken wird versucht, eine möglichst „gute“ Entscheidung zu treffen. 
  • Retrospektive Rationalität – erst die getroffene Entscheidung wird begründet.

Die Entscheidungstheorie baut auf der “Prozeduralen Rationalität” auf, also dem Versuch eine möglichst gute Entscheidung zu treffen. Sie versucht mittels Problemlösungsverfahren, Entscheidungsroutinen zu erstellen.

Die Theorie soll dem Anwender die Entscheidung erleichtern und diese der Rationalität so nah wie möglich bringen. Sie verlangt daher vom Entscheider Urteilsvermögen und Erfahrung, die mit Fakten aus der Unternehmung kombiniert werden.

Der Entscheider wird weiters gezwungen, Entscheidungsalternativen anzugeben, mögliche Umweltzustände hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit zu bewerten und die Konsequenzen, die sich aus der Kombination von Handlungsalternative und Umweltzustand ergeben, zu quantifizieren.

Dies macht getroffene Entscheidungen nachvollziehbar – Managementverantwortung wird offensichtlich. Ein Problem bei der Einführung von entscheidungstheoretischen Verfahren in Unternehmungen ist jedoch die nötige fachliche Qualifikation der Entscheider. Dieses Problem kann durch interne Schulungen bzw. durch externen Beratern behoben werden.

Die Literatur hat im Zuge der Untersuchung von Entscheidungen das Modell der rationalen Wahl modifiziert und in Richtung eines besseren Verständnisses komplexer Entscheidungssituationen weiterentwickelt. In weiterer Folge sollen hierzu zwei Modelle kurz erläutert werden.

  • Methode des Durchwurstelns (muddling through) oder Modell des Inkrementalismus
    Ebenso wie in dem Modell der begrenzten Rationalität sucht der Entscheider lediglich nach befriedigenden Lösungen. Dies versucht er durch ein schrittweises Vorgehen zu erreichen – eine Form der prozeduralen Rationalität. „Bei dieser Vorgehensweise sind nicht übergeordnete Ziele Beurteilungsmaßstab, sondem Planungs- und Entscheidungsverhalten gleichen einem Durchwursteln, und Bewertungsprozesse und politische Verhandlungsprozesse.“ Der Entscheider läßt sich also nicht von übergeordneten Zielen, sondern von der aktuellen Problemsituation beeinflussen.
  • Konflikt-Modell der Entscheidung
    Das Konflikt Modell hebt die affektive Seite des Entscheiders und ihre Bedeutung hervor. Entscheidungen sind dabei mit Gefühlen (Haß, Angst, Ärger und vor allem Streß) verbunden. Aufgrund dieser Gefühle geraten Entscheider in massive Konfllkte, sind angstbesetzt und entscheidungsscheu. Besonders Streß wirkt sich auf die Entscheidungssituation (insbesondere auf die Informationssuche) und damit nicht zuletzt auf die Qualität der zu treffenden Entscheidung aus. Daher ist ein angemessenes, vom Entscheider zu bewältigendes Stressniveau für ein optimales Entscheidungsverhalten anzustreben. Bei zu geringem Stress vernachlässigt er die Informationssuche, und bei zu viel Streß resigniert er vor dem Aufwand, trifft eine rein emotionale oder gar keine Entscheidung.

Innerhalb von Organisationen erlangen die einzelnen Phasen der Entscheidung besondere Bedeutung, dann nämlich, wenn es um die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen geht. Aus diesem Grund übt die formale Organisationsstruktur oder Organisationseffizienz bedeutenden Einfluß auf die Qualität des Entscheidungsprozesses aus. Sie unterstützt daher die prozedurale Rationalität.

Besonders wichtig ist es, den starken Einfluß des betrieblichen Informationssystems auf die anderen Teilsysteme sowie auf die einzelnen Phasen der Entscheidung herauszustellen. Dies trifft vor allem auf das Thema Liquidität zu. Wir haben bereits festgestellt, dass die Liquidität für den Fortbestand des Unternehmens unerlässlich ist. Entscheidungen über die Verwendung von Liquidität müssen auf einem geeigneten Informationsstand erfolgen. Mangelnde Information bzw. eine Vernachlässigung der Überwachung der Liquidität kann zu massiven rechtlichen Problemen der Geschäftsführer führen.

Insofern kommt der Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen im Bereich des Liquiditätsmanagements wesentliche Bedeutung zu. Können doch – bei einer entsprechenden Dokumentation von Entscheidungen – Themen wie leichte bzw. grobe Fahrlässigkeit eindeutig ausgeschlossen werden.

Arten von Entscheidungen im Unternehmen

In der Literatur trifft man bei den grundsätzlichen Arten von Entscheidungen in einer Unternehmung auf folgende Einteilung:

  • Routineentscheidungen und echte oder einmalige Entscheidungen
    Im ersten Teil der Theorie wurden Unternehmens-Führungsentscheidungen bereits als echte Entscheidungen tituliert. Demzufolge sind diese „echten“ Entscheidungen nicht delegierbar. Heinz Wissenbach erkennt weiter eine echte Entscheidung, „wenn das Entscheidungsproblem neu ist, durchdacht werden muß und einen Entschluß verlangt, für den es allenfalls ähnliche Vorlagen gibt.“ Bei Routineentscheidungen können Ziele und Mittel zumindest für gewisse Zeiträume festgelegt werden. Weiters können Erfahrungen aus der Vergangenheit erheblichen Anteil an der Lösung von Routineproblemen haben.
  • Ziel- und Mittel-Entscheidungen
    Zielentscheidungen wurden weiter oben bereits als erste und oberste Aufgabe des dispositiven Faktors, Mittel-Entscheidungen als Entscheidungen über den Weg, wie diese Ziele zu erreichen sind, identifiziert. Bei Zielentscheidungen handelt es sich also um Fixierung dessen, „was man selbst anstreben will oder von anderen anzustreben verlangt.“
  • Einzel- und Gruppenentscheidungen
    Auf diese Aspekte wurde bereits im Prozeß der Zielbildung eingegangen, indem festgestellt wurde, daß persönliche, aber auch betriebliche Erwartungen in Zielentscheidungen des Unternehmens einfließen. Die vor allem bei Gruppenentscheidungen auftretenden, unterschiedlichen persönlichen Ziele stellen eine wichtige Einflußgröße dar und sind bei solchen Entscheidungen unter allen Umständen zu berücksichtigen.
  • Wohlstrukturierte und schlecht-strukturierte Entscheidungsprobleme
    Wohlstrukturierte Entscheidungsprobleme sind gekennzeichnet durch eine bestimmte Anzahl von Lösungsmöglichkeiten, durch Informationen über die Konsequenzen, durch klar formulierte Prämissen sowie durch Lösungsalgorithmen. Fehlt eines dieser Merkmale so spricht man von schlecht-strukturierten Problemen. Dies ist in der Praxis häufig der Fall. Intuition, Einfallsreichtum, Erfahrung usw. sind Elemente des Problemlösungsverhaltens in schlecht-strukturierten Entscheidungssituationen. Um die Problemlösung weiters zu unterstützen, muss die Unternehmensführung auf alle verfügbaren Informationen zurückgreifen und diese abwägen.

Zusammenfassend kann für die betriebswirtschaflliche Praxis festgestellt werden, daß der Entscheidungsträger fast ausschließlich komplexe Entscheidungsprozesse vorfindet. Diese werden durch schlecht definierte und schlecht strukturierte Entscheidungsprobleme charakterisiert.

Zu der Bezeichnung schlecht definiert kommt es in diesem Zusammenhang, da der angestrebte Endzustand nicht eindeutig im Vorhinein festgelegt werden kann. „Schlecht strukturiert ist das Entscheidungsproblem, da die Altemativenzahl unübersehbar ist und kein spezifisches Lösungsprogramm existiert, um aus der Vielzahl der Alternativen in angemessener Zeit die optimale auszuwählen.” Wir kennen das auch als: “man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr.”

 

Im Rahmen der Theorie behandelte Themen

 

Teil 1: Unternehmen, Ziele und Liquidität

Teil 2: Unternehmensführung und Liquiditätsmanagement

Teil 3: Entscheidungen und Liquiditätsmanagement

Teil 4: Berichtswesen im Unternehmen

Credits: Photo by Kate Joie on Unsplash