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Theorie: Unternehmen, Ziele und Liquidität

Theorie: Unternehmen, Ziele und Liquidität

Crash Kurs Unternehmensführung

Wir wollen in diesem Beitrag ein wenig auf die theoretischen Hintergründe von Unternehmen, Unternehmenszielen und Zielkonflikten vor allem im Zusammenhang mit der Liquiditätserhaltung eingehen. Ein Crashkurs zum Thema Unternehmen und Liquidität, wenn man so will.

Für Eilige: Liquiditätserhaltung als Dauer- und Kernaufgabe 

 

  • Jeder Unternehmer kennt es: “Die Unternehmung gilt als ein äußerst komplexes, offenes, dynamisches und soziales System.” 
  • Als das Hauptziel der Unternehmung kann die langfristige Maximierung des Gewinns angesehen werden.
  • Eine der wichtigsten Nebenbedingungen für den Fortbestand der Unternehmung ist die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts bzw. der Zahlungsfähigkeit.
  • Die Grundziele der Unternehmung, maximaler Gewinn und finanzielles Gleichgewicht haben negative bzw. einschränkende Wirkung aufeinander.
  • So wie die Liquidität kann die Verletzung des ökologischen Gleichgewichts zu einer Gefährdung des Fortbestands der Unternehmung führen.

 

Unternehmen

 

In der Volkswirtschaftslehre gelten private Haushalte, Unternehmen und der Staat als Willenszentren einer jeden Wirtschaft. Unternehmen definieren sich dabei in der Finanzwirtschaft als eine „auf Fortbestand ausgerichtete und von einem Willenszentrum geleitete Wirtschaftseinheit, die an einem oder mehreren Teilvorgängen des gesellschaftlichen Produktionsprozesses teilnimmt”. Volkswirtschaftlich wird also der Unternehmer als Willenszentrum definiert. Eigentlich schon eine recht interessante Erkenntnis, da der unternehmerische Wille und damit die Willensbildung im Mittelpunkt steht.

Und weiter geht es. “Einerseits werden Wirtschaftsgüter auf ihren Beschaffungsmärkten erworben und, nach ihrer Umwandlung in absatzfähigere Produkte, diese andererseits auf den einschlägigen Absatzmärkten veräußert.” Es geht also darum, Mittel zu erwerben, umzuwandeln und zu verkaufen. Wobei Mittel hier durchaus gegenständlich, also als Güter und auch im Sinne von Dienstleistungen zu verstehen sind.

Gehen wir weiter zur Betriebswirtschaftslehre. Dort ist das Erkenntnisobjekt das Unternehmen. In marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftssystemen tritt die Unternehmung als ein am erwerbswirtschaftlichen Prinzip orientierter Produktionshaushalt, mit der Aufgabe einen Mehrwert für ihre Eigentümer zu erwirtschaften, auf. Durch die eingehende Beschäftigung der Betriebswirtschaftslehre mit der Unternehmung hat sich, ausgehend von der Systemtheorie, folgende Definition entwickelt:

“Die Unternehmung gilt als ein äußerst komplexes, offenes, dynamisches und soziales System.” Ein Umstand, dessen sich jeder Unternehmer sehr bewusst ist.

Charakteristisch für dieses System ist die Vielzahl der Verbindungen zu anderen Systemen, d.h. zur Unternehmensumwelt. Austauschvorgänge jeglicher Art finden laufend statt und beeinflussen das Unternehmen und die Unternehmensentwicklung – man spricht auch von der dynamischen Komponente.

Durch die Vielzahl der so entstehenden Veränderungen bzw. Beeinflussungen sind die Entscheidungsträger (aka Unternehmer oder Willenszentren) gezwungen, ständig mittels lenkender Eingriffe die Erreichung der Unternehmensziele zu gewährleisten. Dies wird auch als soziale Komponente von Unternehmen verstanden.

Die Beziehungen zu anderen Marktpartnern beeinflussen den Unternehmensfortbestand insofern wesentlich, als die erhaltenen Gegenleistungen ausreichen muss, um Einsatzfaktoren bereitstellen zu können. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip (d.h., mit möglichst wenig Mitteleinsatz ein gegebenes Ziel zu erreichen bzw. mit gegebenem Mitteleinsatz ein Maximum zu erreichen) sollte dabei als Grundprinzip aller Entscheidungen beachtet werden.

Es ist jedoch zu beobachten, daß die Anwendung dieses Prinzips stark von der Konjunkturentwicklung abhängig ist. In Zeiten der Hochkonjunktur, d.h. gute bzw. befriedigende Unternehmensentwicklung bzw. Gewinnerzielung, wird das Prinzip der wirtschaftlichen Gebarung oftmals vernachlässigt, während man sich in Zeiten negativen Unternehmenserfolges gerne darauf besinnt. In etwas anderer Situation erleben wir so ein Verhalten auch im Startup Bereich im Zusammenhang mit Liquiditätsentscheidungen. Während Startups im “Bootstrap”-Modus sehr bewußt mit den vorhanden Mittel umgehen, kann es nach erfolgtem Funding durch externe Kapitalgeber oft zu einer Vernachlässigung des Wirtschaftlichkeitsprinzips kommen.

 

Unternehmenszielsetzung

 

Gibt es allgemeingültige Ziele der der Unternehmung? Trifft man die Annahme, daß es oberstes Ziel einer Unternehmung ist, wirtschaftlich zu überleben, so stellt sich die Frage, wie dies erreicht werden kann.

Oft wird von der langfristigen Maximierung des Gewinns als einem Hauptziel der Unternehmung gesprochen. Darunter wird dann die Erzielung maximaler Rentabilität bzw. die Schaffung von Erfolgspotentialen verstanden. Diese Zielsetzung ist aber von dem Wirtschaftssystem, in das die Unternehmung eingebettet ist, abhängig.  Dies trifft für marktwirtschaftliche Mechanismen zu. In diesem System gilt die Grundannahme der freien Entscheidungsmöglichkeit der Wirtschaftseinheit und damit des Unternehmers.

Obgleich schon fast vergessen: Im Unterschied dazu herrscht in zentral verwalteten Wirtschaftssystemen das Organprinzip vor. Dieses Prinzip verweist auf die monetäre (Gewinnabschöpfung und Subventionsempfang) und nicht-monetäre (Bindung an Wirtschaftspläne) Abhängigkeit der Unternehmung. Durch die Möglichkeit der politischen Subventionsförderung oder -stützung tritt die Gewinnmaximierung dabei stark in den Hintergrund.

Eine wesentliche Erkenntnis im Bereich der Analyse von Unternehmenszielen ist, daß das Prinzip der Gewinnmaximierung nicht uneingeschränkt, sondern unter Beachtung subjektiver Nebenbedingungen verfolgt wird. Die Komponente Mensch tritt in den Mittelpunkt. Es bestehen also eine Anzahl von Zielkombinationen, an denen sich die unternehmerischen Entscheidungen orientieren.

Wichtigste Nebenbedingung: Zahlungsfähigkeit

 

Eine der wichtigsten Nebenbedingungen für den Fortbestand der Unternehmung ist die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts bzw. der Zahlungsfähigkeit. Dies ist die Voraussetzung, sozusagen die restriktive Nebenbedingung, für das Streben nach maximalem Gewinn, da dieser allein nicht automatisch gesicherte Liquidität verspricht. „Eine rentable Unternehmung muß bei Illiquidität zugrunde gehen, jedoch kann ein vorübergehend unrentables Unternehmen liquide bleiben.” Wie bitte? Rentabilitäten sind Rechengrößen, die ein Ergebnis in Relation setzen. Illiquidität ist eine Zeitpunktgröße, absolut und unerbitterlich. Als illiquide gilt, wer seine fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen kann. Und das hat in einem ersten Schritt wenig mit Rentablilität zu tun. Später komme ich noch dazu.

Durch die zunehmende Sensibilisierung der Öffentlichkeit und die dadurch entstandenen gesetzlichen Regelungen ist es zusätzlich zu einer erheblichen Aufwertung ökologischer Ziele gekommen. Es entwickelte sich ein sozialer Druck der in jüngster Zeit auch zu politischen Machtveränderungen führte und weiter führen wird. Aber warum?

Wirtschaftlichkeitsprinzip und damit langfristige Gewinnmaximierung und die Nebenbedingung Liquidität beziehen sich auf die wirtschaftliche Wertschöpfung der Unternehmung. Diese muß so effizient wie möglich gestaltet werden. Aber: „Ausgehend von dieser Wertschöpfung kommt es über Emissionen, Immissionen und Schäden zur betrieblichen Schadschöpfung, eben zur Wahrnehmung der Schäden durch die Gesellschaft.” Wertschöpfung / Schadschöpfung – schön langsam macht das mit dem offenen, dynamischen und komplexen System mehr Sinn, oder?

Die „Erhebung“ ökologischer Ziele in den Rang einer restriktiven Nebenbedingung rechtfertigt sich, wenn die Konsequenzen bei Nichteinhaltung dieser Ziele aufgezeigt werden: Stillegung des Betriebes bzw. Unterbrechung des Betriebsablaufes, Rückgang der Nachfrage, Konkurrenz von umweltfreundlichen Produkten, Zwang zur technologischen Innovation sowie Zwang zur Produktinnovation.

So wie die Liquidität, jedoch in eingeschränktem Umfang, kann die Verletzung des ökologischen Gleichgewichts zu einer Gefährdung des Fortbestands der Unternehmung führen. Der Bereich, der diese Gefährdung sehr beispielhaft aufzeigt, ist die Energieversorgung.

Die in Deutschland diskutierten Daten zum Ausstieg aus der Kohleindustrie haben seit Jahren wesentlichen Einfluss auf die Unternehmensentscheidungen. So hat sich z.B. RWE in den letzten Jahren in einen “alten” und in einen “neuen” Bereich aufgegliedert, um den gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung zu tragen.

 

Zielkonflikte

 

Bei diesen drei Grundzielen der Unternehmung,

  1. dem Streben nach ausreichendem Gewinn (erfolgswirtschaftliche Komponente) und
  2. dem Streben nach Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts (finanzwirtschaftliche Komponente) sowie
  3. dem Streben nach „ökologischer Effizienz“ (soziale Komponente),

handelt es sich also um eine Zielkombination. Aber in welcher Weise beeinflussen diese Ziele einander?

Zielsysteme bestehen aus verschiedenen Zielbeziehungen. Die Abhängigkeiten der einzelnen Ziele untereinander werden beschrieben als Zielkomplementaritäten, Zielkonflikte und als Zielindifferenzen. Zu berücksichtigen ist also, ob Ziele einander verstärken, ob sie in Konkurrenz zu einander stehen oder ob sie von einander unabhängig sind. Die größte planerische Herausforderung stellt sich bei der Abstimmung des Mitteleinsatzes zur Zielerreichung bei vorherrschenden oder auftretenden Zielkonflikten. Aus diesem Grund sind diese Beziehungen von besonderem Interesse.

Konkurrenten: Rentabilität und Liquidität

 

„Klassisch konkurrierende Ziele sind das Streben nach Rentabilität und Liquidität.“ Das bedeutet, die Grundziele der Unternehmung, maximaler Gewinn und finanzielles Gleichgewicht, haben negative bzw. einschränkende Wirkung aufeinander. Das Dilemma hierbei ist u.a. ein Problem der zeitlichen Unterschiede.

Die Rentabilität ergibt sich aus dem Verhältnis Ergebnis (in Form von Gewinn, Jahresüberschuss, u.a.) zu eingesetztem Kapital und ist daher ein Zeitraumproblem.  Andererseits nimmt der zahlungsorientierte Liquiditätsbegriff auf die Fähigkeit eines Unternehmens, jederzeit (d.h. zu jedem Zeitpunkt) seine Zahlungsverpflichtungen bedienen zu können, Bezug. Die Liquidität ist daher ein Zeitpunktproblem.

Dies kann dazu führen, daß das zeitliche Auseinanderfallen der Zahlungszeitpunkte und der Zeitpunkte der Erfolgseinwirkung zu einer unterschiedlichen Erfolgs- und Liquiditätsbeurteilung führt. Die Beurteilung der Unternehmenssituation kann jedoch in weiterer Folge wesentlich für zu treffende Entscheidungen sein. 

Liquiditätserhaltung als Kernaufgabe

 

Außerdem können Maßnahmen zur Verbesserung der Rentabilität die Liquidität maßgeblich beeinflussen und umgekehrt. Der Leverage-Effekt spielt hierbei eine bedeutende Rolle. „Ist die Rentabilität des im Unternehmen eingesetzten Gesamtkapitals höher als die Kosten des Fremdkapitals, führt der Einsatz von Fremdkapital zu einer Erhöhung der Rentabilität des Eigenkapitals.“

In weiterer Folge kann jedoch die Zuführung von Fremdkapital trotz einer Verbesserung der Eigenkapitalrentabilität zu einem Liquiditätsengpaß führen. Dann nämlich, wenn auf Grund der erhöhten absoluten Fremdkapitalzinsen Verbindlichkeiten nicht mehr bedient werden können. Verschärft wird so eine Situation natürlich durch einen generellen Anstieg des Zinsniveaus, sei es bei der Refinanzierung von fixverzinslichen Darlehen oder durch die sofortige Erhöhung des Schuldendienstes im Falle von variabel verzinsten Fremdkapital. Eine Optimierung bzw. ein Ausreizen des Leverage-Effekts kann daher sehr schädlich sein. Vor allem im Immobilienbereich (und in Zeiten von niedrigen Zinsen) ist dies eine sehr ernstzunehmende Gefahr.

Andererseits kann es durch den Wunsch nach einem hohen Zahlungsmittelbestand zur Erfüllung von Zahlungsanforderungen zu einer überhöhten Barreserve kommen. „Zu einem Zeitpunkt, an dem keine Auszahlungen getätigt werden müssen, kann der Zahlungsmittelbestand sogar Null sein. Eine größere Zahlungskraft, als sie von den Zahlungsanforderungen her bedingt wird, ist unnötig und unter dem Rentabilitätsgesichtspunkt unwirtschaftlich.“ Die Finanzwirtschaft erkennt daher die Liquiditätserhaltung als Dauer- und Kernaufgabe des Finanzmanagements.

Betrachtet man die Zielbeziehung ökologischer Ziele zu den anderen Unternehmensgrundzielen, so können durchwegs Zielkomplementaritäten festgestellt werden. So kann etwa eine ökologische Ausrichtung der Unternehmung Erfolgspotential schaffen und somit langfristig positiven Einfluß auf die Unternehmung haben. Dies sieht man vor allem im Startup Bereich, wo junge Unternehmen ihre Wertschöpfung schon von Beginn an auf ökologische Aspekte ausrichten und sich damit neue Zielgruppen schnell erschließen können. Lediglich in kurzfristigen Bereichen der Gewinnerzielung und bei Kosteneinsparungen können vor allem bei schon länger bestehenden Unternehmen Zielkonflikte auftreten.

Für klein- und mittelständischen Unternehmen mit ihrer Charakteristik des beschränkten Zugangs zu Kapital aber auch aufgrund ihrer starken Abhängigkeit von beherrschenden Unternehmern, hat aus diesen Betrachtungen die Liquidität eine übergeordnete Bedeutung.

Im Rahmen der Theorie behandelte Themen

 

Teil 1: Unternehmen, Ziele und Liquidität

Teil 2: Unternehmensführung und Liquiditätsmanagement

Teil 3: Entscheidungen und Liquiditätsmanagement

Teil 4: Berichtswesen im Unternehmen

Credits: Photo by Álvaro Serrano on Unsplash