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Aus der Praxis: Liquidität im Sanierungsverfahren

Aus der Praxis: Liquidität im Sanierungsverfahren

Ein Beitrag von Wolfgang Pones, Co-Founder COMMITLY

Faktenbox für Eilige: Planung, nicht nur im Krisenfall

 

  • Wird der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt, kann der Geschäftsführer strafrechtlich wegen Insolvenzverschleppung belangt werden!
  • Ein Indiz für Zahlungsunfähigkeit ist nicht, dass Lieferanten bereits wie wild an die Tür klopfen.
  • Im Sanierungsverfahren selbst wird der Unternehmer eng von Insolvenzverwalter und Gläubigerausschuss kontrolliert.
  • Durch das Zusammenspiel von kurzfristiger und mittel- bis langfristigen Liquiditätsplanung besteht eine hohe Transparenz und eine enge Kontrolle der Geschäftsentwicklung.
  • Eine unternehmenseigene, präzise und realistische Planung stärkt generell das Vertrauen der finanzierenden Stellen in das Unternehmen.

Wolfgang Pones, Co-Founder von COMMITLY, hat langjährige Erfahrung im Finanzmanagement von kleinen und mittleren Unternehmen. In den letzten 20 Jahren hat er auch mehrfach Sanierungsverfahren als Berater aber auch als Geschäftsführer begleitet. Dabei halfen ihm zusätzlich zu seiner Erfahrung sein Studium am Juridicum in Wien und die Ausbildung zum Steuerberater. Hier gibt er uns einen Einblick in die Gründe für ein Sanierungsverfahren und die Bedeutung der Liquiditätsplanung und -überwachung in dieser herausfordernden Zeit.

 

Gründe für ein Sanierungsverfahren

 

Ein Sanierungsverfahren kann notwendig werden, wenn das Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, fällige Zahlungsverpflichtungen zu bezahlen. Im Detail ist dazu Christian Kedzierski in diesem Gastbeitrag auf das Thema eingegangen. Was so unspezifisch klingt, hat massive Bedeutung für die vertretungsbefugten Organe, sprich die Geschäftsführer eines Unternehmens. Zahlungsunfähigkeit, also die Unfähigkeit fällige Rechnungen zu bezahlen, tritt nämlich schneller ein als vermutet wird. Vor allem in Deutschland.

Der österreichische OGH definiert und interpretiert im Zusammenhang mit dem § 66 der Insolvenzordnung folgendermaßen: Zahlungsunfähigkeit tritt ein, wenn der Schuldner 5% seiner fälligen Schulden nicht alsbald bezahlen kann. Wobei alsbald als höchstmöglich 3 Monate interpretiert wird.

Der deutsche BGH definiert im Zshg. mit § 17 InsO eine Zahlungsstockung von höchstens 21 Tagen (!), also lediglich 3 Wochen. Wenn also innerhalb von 3 Wochen die Mittel beschafft werden können, um allen Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können, dann liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor.

Wenn Zahlungsunfähigkeit besteht, muss der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag stellen. Im Rahmen des Antrags kann ein Sanierungsverfahren beantragt werden. Auf die verschiedenen Möglichkeiten des Verfahrens wird hier nicht weiter eingegangen. Wichtig ist nur eines: Wird der Insolvenzantrag nicht rechtzeitig gestellt, kann der Geschäftsführer strafrechtlich wegen Insolvenzverschleppung belangt werden!

Und noch eine Präzisierung, die für den unternehmerischen Alltag sehr wichtig ist: die Zahlungsfähigkeit ist vom Unternehmer regelmäßig zu überwachen. Ein Indiz für Zahlungsunfähigkeit ist nicht, dass Lieferanten bereits wie wild an die Tür klopfen. Das wäre eher ein Indiz für eine mögliche Insolvenzverschleppung.

Insolvenzrecht und Liquiditätsplanung

 

Nicht nur im unternehmerischen Alltag, sondern gerade auch auf Basis der gesetzlichen Grundlagen der Insolvenzordnung kommt dem Kapitalbedarf und der kurzfristigen Liquiditätsplanung zumindest für die Dauer des Sanierungsverfahren eine hohe Bedeutung zu.

Aus der Erfahrung als Geschäftsführer im Sanierungsverfahren ist es meistens in der Natur der Sache, dass Planungs- und Liquiditätsinstrumente nur bedingt vorhanden sind. Gerade aber im Prozess rund um die Insolvenzordnung muss neben einem kurzfristigen Überblick zur Geschäftsentwicklung zuerst eine Liquiditätsplanung auf Wochenbasis unter Berücksichtigung der verfahrens-spezifischen Sachverhalte erstellt werden.

Zusätzlich muss die Planung zumeist mindestens wöchentlich mit der aktuellen Entwicklung abgeglichen und die Planung aktualisiert werden. Für das Verfahren selbst ist es zu empfehlen, bereits zu Beginn auch eine mittel- bis langfristige Liquiditätsplanung zu erstellen, die ebenfalls laufend aktualisiert wird.

 

Insolvenzverwalter und Gläubigerausschuss

 

Im Sanierungsverfahren selbst wird nämlich das Unternehmen und damit der Unternehmer eng von Insolvenzverwalter und Gläubigerausschuss kontrolliert. Nicht selten tritt hier auch noch ein geforderter externer Berater auf.

Durch das Zusammenspiel von kurzfristiger mit der mittel- bis langfristigen Liquiditätsplanung haben das Management, der Insolvenzverwalter und der Gläubigerausschuss eine hohe Transparenz und eine enge Kontrolle der Geschäftsentwicklung.

Diese Unterlagen sind nicht nur Voraussetzungen seitens des Gesetzgebers im Sinne der Insolvenzordnung, sondern auch in der Folge (nach den positive Abschluss des Sanierungsverfahrens) eine hilfreiche Basis, um unternehmensinternen Instrumente weiter zu entwickeln, die das laufende und „überlebenswichtige“ Monitoring im Unternehmen abbilden können.

 

Sanierungskonzept = Zukunftskonzept?

 

Gerade zum Aufbau von Zukunftskonzepten, denen auch schon im Anlauf des Sanierungsverfahrens eine hohe Bedeutung zukommen kann und die in dem Insolvenzplan zu hinterlegen sind, ist eine realistische und modellierbare Liquiditätsplanung zum Aufzeigen von Renditenchancen sehr förderlich.

Als oftmals notwendiger und auch gewünschter Nebeneffekt wird die Liquiditätsplanung auch für einen, dem Sanierungsprozess nachfolgenden Verkaufsprozess zu einer wichtigen Basis. Im Zuge einer von potentiellen Käufern durchgeführten Due Diligence ist gerade eine Planung in Kombination mit einer Liquiditätsbetrachtung ein zwingend notwendiges und im Falle einer ordentlichen Ausführung für den Verkaufsprozess durchaus förderliches Instrument.

Der Sanierungsplan sollte auch in einem umfassenden Restrukturierungs- oder noch langfristiger ausgerichteten Sanierungskonzept abgebildet werden. Die bildet die Entscheidungsbasis für Gläubiger, anhand der sie ermessen können, wieviel Geld sie noch bekommen (Quote). Für Gesellschafter bzw. Investoren liefert das Sanierungskonzept einen Überblick über einen realisierbaren Sanierungsweg und eventuell in der Folge auch erfolgreichen Unternehmensverkauf.

 

Die Rolle der Sanierungsabteilung

 

Nicht zuletzt muss gerade die Liquidität in Krisensituationen genauestens geplant, verfolgt und gegebenenfalls angepasst werden. Finanzinstitute und deren Sanierungs-Abteilungen verlangen meist schon im Vorfeld in Zusammenarbeit mit externen Beratern hier ein Monitoring der unternehmenseigenen Daten. Eine extern erstellte Planung kann aber nie eine Basis für die Entwicklung des eigenen Unternehmens sein.

Eine unternehmenseigene, präzise und realistische Planung stärkt in dieser Phase das Vertrauen der finanzierenden Stellen in das Unternehmen.

Dieses Vertrauen kann in der Folge auf dem Weg durch das Sanierungsverfahren zu einer stabilen und erfolgreichen Abwicklung führen. Vor allem Entscheidungen werden stärker Fakten-orientiert getroffen. Oftmals werden durch das konkrete Aufzeigen finanzieller Konsequenzen auch alternative Finanzierungsformen (zum Beispiel Factoring) eingeführt, die dann über das Verfahren hinaus im Unternehmen eingesetzt werden.

 

Fehlende interne Instrumente

 

Meistens sind aber gerade bei Unternehmen, die vor der Herausforderung von Sanierungsmaßnahmen generell stehen, nicht nur externe Gründe, wie eine veränderte Marktsituation oder überholte technische Rahmenbedingungen, sondern auch fehlende interne Prozesse oder Instrumente für die Liquiditätssituation verantwortlich. Daher sind die unternehmensinternen Voraussetzungen meist reduziert auf Informationen aus der Buchhaltung. Und im schlimmsten, weil kostenintensivsten und vor allem langsamsten Fall, gar aus der externen Buchhaltung.

Gerade die Buchhaltung ist aber keinesfalls ein Ersatz für eine laufende Liquiditätsrechnung oder gar Planung.

Die Daten sind in der Regel nur zeitverzögert – bei externer Betreuung sogar wesentlich zeitverzögert – vorhanden und können so gar nicht der Unternehmensplanung und -steuerung dienen. In diesem Zeitpunkt müssen daher umgehend ein kurzfristige Liquiditäts- und mittelfristige Planung aufgesetzt aber vor allem laufend gepflegt werden.

Wie bereits oberhalb ausgeführt wird mit diesem Schritt in der Folge sowohl im „Vorstadium“, meist über die Sanierungsabteilungen der Finanzinstitute, wie auch in der Folge im Verfahren selbst, der Grundstein für vertrauensbildende und gesetzlich vorgeschriebene Schritte gesetzt. Nahezu immer sind gerade die finanzierenden Institute nicht nur ein wesentlicher Bestandteil der Quote im Gläubigerbereich, sondern auch ein wichtiger Partner über das positiv abgewickelte Verfahren hinausgehend.

Diese „Partnerschaft“ kann durch entsprechende Planungs- und Liquiditätsinstrumente massiv gestärkt werden, wobei die „Selbstverständlichkeit“ im Umgang mit diesen Instrumenten im Unternehmen auch forciert gelebt und in Prozesse eingebunden sein muss.

Je nach Größe des Unternehmens liegt diese Verantwortung entweder direkt im Bereich der Geschäftsführung/Eigentümer oder muss als Prozess in der Struktur des Finanzbereichs integriert werden. Eine solche Selbstverständlichkeit im Umgang mit Planung und Liquidität erleichtert unternehmensintern den Umgang mit von der Bank oder zur Vorbereitung des Sanierungsverfahrens seitens des Unternehmens beigezogenen externen Beratern. Wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass diese Unterstützung seinen Preis hat und sich dadurch die Kostensituation in einer schon angespannten Zeit zusätzlich verschlechtert.

 

Planung, nicht nur im Krisenfall

 

Durch die Kombination von internem und externem Fachwissen und Praxis können für das Unternehmen in einer Krisensituation Planungs- und Liquiditätsinstrumente entwickeln werden, die zukünftig und bei positiven Abschluss der Sanierungsmassnahmen einen hohen Nutzen haben werden. Der Einsatz dieser Instrumente muß aus meiner Sicht über den (außer-)gerichtlichen Sanierungszeitraum hinaus bedingungslos seitens der Geschäftsführung eingefordert werden.

Selbst im Falle einer Unternehmensveräußerung seitens der Gesellschafter – oftmals im Zuge von Sanierungen eine gängige „Notlösung“ – zeigt sich die Notwendigkeit und Vorteilhaftigkeit einer vernünftigen Liquiditätsplanung.

 

Credits: Photo by Clem Onojeghuo on Unsplash